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Straße in Indien

Interview mit Stephanie über ihre drei Monate in Indien

„Ich fühlte mich wie ein Süßwasserfisch im Salzwasser“

Die Abschlussarbeit im Studium als Gelegenheit für eine Auslandszeit nutzen? Ja, das geht wirklich! In manchen Studiengängen bietet es sich sogar regelrecht an. So hat sich Stephanie, Studentin der „Kulturvermittlung“, nach Indien aufgemacht, um dort einen Assistenzjob mit der Recherche für ihre Masterarbeit zu verbinden. Im Interview verrät sie, wie man so etwas am besten organisiert. Außerdem erzählt sie von ihren Erlebnissen in der Megametropole Bangalore, von Überforderung und Inspiration.

Auslandsaufenthalt.org: Wie bist du auf die Idee gekommen, für die Recherche zu deiner Masterarbeit nach Indien zu gehen? Warum ausgerechnet Indien? 

Stephanie: Das war Zufall! Ich wollte meine Masterarbeit über Künstlerresidenzprogramme schreiben, also über Programme, die Künstlern ermöglichen, für eine Weile in einer bestimmten Stadt oder im Ausland zu arbeiten. Im Gespräch mit meinem Professor kam der Vorschlag auf, ein Residenzprogramm zu „beforschen“, das das deutsche Goethe-Institut in Bangalore durchführt. Zuerst war ich etwas skeptisch: Indien? Das wäre nicht meine erste eigene Idee gewesen, nicht einmal meine zweite oder dritte Idee. Aber irgendwie hat Indien mich auch fasziniert. Diesem Land haftet einfach eine gewisse Magie an – schon aus der Ferne. Also habe ich beschlossen, auf Empfehlung meines Professors den Schritt zu wagen und die Kontakte der Uni zum Goethe-Institut in Indien zu nutzen. 

Auslandsaufenthalt.org: Was hast du dann in Bangalore genau gemacht? Arbeiten, Forschen und Reisen gleichzeitig?

Stephanie: Beim Goethe-Institut wurde ich als Assistentin eingespannt und habe mehrere organisatorische Aufgaben rund um das Künstlerresidenzprogramm übernommen. Darüber hinaus habe ich zu den Forschungsfragen, die ich mir vor der Abreise erarbeitet habe, viel beobachtet, protokolliert und Interviews mit den Programmbeteiligten vor Ort geführt. Fürs Reisen war leider kaum Zeit. Ich bin nur im Süden Indiens ein wenig herumgekommen.

Auslandsaufenthalt.org: Wie sahen denn deine Vorbereitungen für den Auslandsaufenthalt aus?

Stephanie: Da die Entscheidung relativ spontan fiel, war die Vorbereitungszeit recht kurz, nur etwa drei Monate. Das hat gerade so gereicht für die Impfungen, den Visumsantrag und auch für meine Bewerbung um ein Stipendium. Ich habe ein Promos-Stipendium bekommen, speziell für Studierende, die im Ausland eine Forschung für ihre Abschlussarbeit realisieren wollen. Das war nicht viel Geld, aber immerhin genug für einen Flug. Zur weiteren Vorbereitung habe ich mir dann natürlich einen Reiseführer zugelegt und mir Dokus über Indien im Internet angeschaut, um mir selbst Reisehunger zu machen. Ich habe mich auch mit Leuten aus meinem Umfeld ausgetauscht, die schon mal in Indien waren. Mit Hilfe des Goethe-Instituts konnte ich auch im Vorhinein den Kontakt zu meiner Gastfamilie knüpfen.

Auslandsaufenthalt.org: Und dann, ab Oktober 2014, warst du da. Was waren deine ersten Gedanken bei der Ankunft in Indien, dein erster Eindruck von Bangalore?

Stephanie: Ich hatte versucht, keine bestimmten Erwartungen zu haben, weil ich mir dachte: Indien kann man sich nicht vorstellen, man muss es erlebt haben. Das war auch wirklich so. Im Taxi auf dem Weg vom Flughafen zu meiner Gastfamilie habe ich Bangalore erst mal auf mich wirken lassen. Es ist eine Megametropole, ein IT-Zentrum, kein typischer Anlaufpunkt für Touristen. Aus dem Auto wirkte die Stadt zunächst sehr chaotisch auf mich. Von meiner Gastfamilie wurde ich dann nett mit einem Essen empfangen. Auch wenn ich eigentlich müde war, keinen Hunger hatte und die scharfen Gewürze nicht gut vertragen habe, habe ich mich darüber gefreut. In den nächsten Tagen vor Ort war ich dann insgesamt ein bisschen überfordert. Weil einfach alles ganz anders ist.

Auslandsaufenthalt.org: Das klingt erst mal nicht so begeistert. Was hat dich vor Ort überfordert, was ist dir negativ aufgefallen?

Stephanie: Es war erst einmal eine unglaubliche Reizüberflutung für mich. Der Verkehr in Bangalore ist extrem unübersichtlich. Es ist laut, es riecht unangenehm nach Müll, der verbrannt wird. Ich hatte das Gefühl, draußen sehr aufmerksam und konzentriert sein zu müssen: Rikscha-Fahrer kommen um die Ecke, hier eine Kuh auf der Straße, da ein Schlagloch und da vorne ein brennender Müllhaufen. Das alles zusammen hat erst einmal meine Sinne überanstrengt. Ich musste mich auch daran gewöhnen, auf den Straßen oft angestarrt zu werden. Das war eine neue, nicht immer angenehme Erfahrung für mich. Ich habe mich sehr „exotisch“ gefühlt in meiner Haut. Wenn ich auf meinem täglichen Weg zum Goethe-Institut an Schulhöfen vorbei kam, haben mich Kinder mit großen Augen angeschaut, auf mich gezeigt oder mir zugewinkt. Hin und wieder haben Leute mich gefragt, ob sie ein Foto mit mir machen können. Und der Grund war nur meine helle Hautfarbe. Manchmal fand ich das witzig, manchmal aber auch unangenehm. Ich hätte einfach sagen wollen: Hey, ich bin doch auch nicht anders als ihr.

Auslandsaufenthalt.org: Aber du hattest bestimmt auch tolle Erlebnisse während deines Indien-Aufenthaltes, oder? Was waren deine persönlichen Highlights?

Stephanie: Na klar, absolut wunderbare Momente und unvergessliche Erlebnisse gab es natürlich auch! Ich hatte zum Beispiel das Glück, gemeinsam mit den Künstlern aus dem Residenzprogramm, dem Leiter und einigen Mitarbeitern des Goethe-Instituts zur Kunstbiennale nach Kochi zu fahren. Kochi ist eine Hafenstadt im Bundesstaat Kerala an der Küste des Arabischen Meeres. Dort wird seit 2012 regelmäßig eine internationale Kunstbiennale ausgerichtet, die erste dieser Art in Indien. Das war total interessant! Ein weiteres tolles Erlebnis war eine kurze Reise nach Hampi. Das ist eine Tempelruinenstadt in Karnataka. Ich fand aber nicht nur den Ort an sich sehr beeindruckend, sondern hatte auch die einmalige Gelegenheit, mit zwei deutschen Künstlerinnen in die umliegenden Dörfer zu fahren. Die beiden haben ein Buchprojekt über traditionelle Handwerkskünste in der Region gemacht und ich habe sie bei ihrer Recherche begleitet. Es war wahnsinnig spannend, die verschiedenen Handwerker in ihren Werkstätten zu besuchen, den Zieglern, Tischlern, Chariot Makern und Töpferinnen über die Schultern schauen zu dürfen. Das war mein persönlicher Höhepunkt!

Auslandsaufenthalt.org: Als Frau alleine in Indien unterwegs zu sein – würdest du das weiteremp-fehlen? Wie sicher hast du dich gefühlt? Worauf sollte man achten?

Stephanie: Die Berichte über sexuelle Übergriffe auf Frauen in Indien, die man aus den Nachrichten kennt, machen natürlich Angst. Da kann man schnell paranoid werden. Ich habe diese Geschichten aus meinem Kopf verbannt, mir aber ein gesundes Maß an Skepsis und Vorsicht bewahrt. Wenn es dunkel wird, sollte man nicht mehr unbedingt alleine auf den Straßen herumlaufen. Es ist auch hilfreich, bei Einheimischen, die man kennt, nachzufragen, welche Gegenden man meiden sollte. Verbreitete Ratschläge an Frauen sind außerdem, auf der Straße keinen längeren Blickkontakt zu suchen und sich unauffällig zu kleiden, keinen tiefen Ausschnitt, Schultern und Knie bedeckt. Man kann auch einen Fake-Ehering tragen, wenn man möchte. Ich habe mich aber insgesamt nie wirklich unwohl gefühlt – und auf einen Ring verzichtet.

Auslandsaufenthalt.org: Was hat sich für dich durch den Auslandsaufenthalt verändert?

Stephanie: Ich habe viele Menschen kennengelernt, die mir neue Sichtweisen aufs Leben mitgegeben haben. Meine gewohnten Vorstellungen und Gedanken wurden einmal komplett durchgeschüttelt. Und bei meiner Rückkehr nach Hause habe ich meine Heimat mit ganz anderen Augen wahrnehmen können. Das ist eine großartige Erfahrung, die das Reisen und längere Auslandsaufenthalte mit sich bringen! Außerdem hat die Zeit in Bangalore mein Selbstbewusstsein gestärkt. Allein schon, weil ich so stolz darauf war, dass ich das trotz der anfänglichen Überforderung gemeistert habe.

Auslandsaufenthalt.org: Und zieht es dich noch mal nach Indien?

Stephanie: Auf jeden Fall! Dann aber mit mehr Zeit im Gepäck, um auch den Norden Indiens und die Küstengegend zu bereisen. Die Zeit in Indien war für mich anstrengend und gleichzeitig inspirierend, Bangalore war abstoßend und anziehend zugleich. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich wirklich so etwas wie einen „Kulturschock“ hatte. Ich fühlte mich wie ein Süßwasserfisch im Salzwasser. Ich möchte auf jeden Fall noch mal hin – nächstes Mal dann gerne zu zweit!

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